Die Maschinenrichtlinie bildet die Basis unserer Industrie. Seit ihrer Einführung 1993 gibt es eine europaweite Grundlage zu den Sicherheitsanforderungen für Maschinen, die noch heute gilt. Außerdem bildet die Maschinenrichtlinie die rechtliche Basis für die Anwendung der verschiedenen, relevanten Sicherheitsnormen im Maschinenbau (z. B. ISO 13849). Seitdem wurde die Maschinenrichtlinie regelmäßig von der Europäischen Kommission überprüft und ggbfs. an Innovationen und Neuerungen angepasst. Die letzte Änderung wurde 2006 vorgenommen, also vor 16 Jahren. Seitdem hat sich der Maschinenbau allerdings grundlegend verändert. Vernetzung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz und industrielle Security sind alles Punkte, die Stand heute kaum oder gar nicht in der Maschinenrichtlinie berücksichtigt werden. Auch die Kommission hat das erkannt, und einen Vorschlag zur Überarbeitung vorgestellt. Laut diesem soll die Maschinenrichtlinie zur Maschinenverordnung werden, also statt nur in nationalem Recht nun auch im EU-Recht aufgenommen werden. Doch was steht in dem Vorschlag, den die Kommission vorgestellt hat? Und ist die Änderung von Richtlinie auf Verordnung nur eine Formalität oder hat sie grundlegende Auswirkungen auf die Maschinensicherheit?
Digitale Betriebsanleitungen: Die Ausstellung und Lieferung von digitalen Betriebsanleitungen soll von jetzt an auch rechtlich ermöglicht werden. Sollte der Maschinenbetreiber allerdings eine Papierversion der Anleitung anfordern, ist der Hersteller verpflichtet, auch diese mitzuliefern. Außerdem wird eine verbindliche Kennzeichnungspflicht auf der Maschine und den Begleitunterlagen eingeführt, die auf digitale Zugriffsmöglichkeiten hinweisen.
Software als Sicherheitsbauteil: Die Begriffsbestimmung der Sicherheitsbauteile beinhaltet jetzt auch die Software. Es ist allerdings noch nicht spezifiziert, ob das für Embedded- und Anwendersysteme gleichermaßen gilt. Weiterhin ist unklar, was das Ganze für Anwendersoftware bedeutet, die separat zur Maschine vertrieben wird.
Die Liste der “High Risk machinery products” wird um funktionale Sicherheits- und KI-Software erweitert. Auch Maschinen mit integrierten KI-Funktionen sind nun im neuen Anhang I zu finden. Ebenso dürfen Hersteller von Maschinen dieser Kategorie nicht mehr die Konformitätsbewertung selber durchführen, auch wenn harmonisierte B- oder C-Normen angewendet werden könnten.
Der aktuelle Entwurf der Europäischen Kommission ist bei weitem noch nicht als finales Dokument zu verstehen, sondern eher als ein erster Ausblick, in welche Richtung die Maschinenverordnung gehen soll. Und sie ist definitiv ein guter Anfang, fasst sie doch die technischen Neuerungen der letzten 15 Jahre gut zusammen. Den Zeitplan zur Umsetzung, den die EU sich gesetzt hat, ist jedoch problematisch. Aktuell sieht die Kommission nämlich einen Stichtag 30 Monate nach Verabschiedung der Verordnung im EU-Parlament vor. Weder eine Übergangsphase, noch andere Maßnahmen, die die Umsetzung für Maschinenbauer erleichtern, sind bisher geplant. Sollte dies so umgesetzt werden, würde das bedeuten, dass die Verordnung vor Tag X nicht angewendet werden darf, danach aber direkt gilt. Der Branchenverband VDMA hat bereits Bedenken angemeldet.
Auch der Umgang mit harmonisierten Normen ist bisher völlig unklar. Aktuell besagt Anhang I der Maschinenrichtlinie, dass der Hersteller grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen einhalten muss. Die EU gibt hierzu eine Liste von harmonisierten Normen heraus, die das Ganze konkretisieren. Mit einer Verordnung würden all diese Normen obsolet, und mehr als 750 Normen neu gelistet werden. Dies würde mehrere Jahre dauern und für ein rechtliches Chaos in der Maschinensicherheit sorgen.
Trotz all der guten Ideen der Kommission wird schnell klar, dass die neue Maschinenverordnung wohl noch nicht unmittelbar vor ihrer Einführung steht. Zu viele Sachverhalte müssen noch geklärt werden, vieles muss die Kommission in den nächsten Monaten und Jahren noch spezifizieren. Auch Branchenverbände, wie der VDMA, müssen sich jetzt einschalten und aktiv auf die Kommission einwirken und dafür sorgen, dass ein reibungsloser Übergang stattfinden kann. Trotzdem ist es wichtig für Maschinenbauer, sich bereits jetzt mit dem Prozess zu befassen und ihn vor allem mitzuverfolgen. So kann man sich ideal auf die Zukunft vorbereiten und wird nicht von den Änderungen überrascht. Eine gute Maßnahme ist es, sich hier für den DINA Newsletter anzumelden. Einmal im Monat informieren wir Sie hier alle News aus dem Maschinenbau, damit Sie nicht auf dem kalten Fuß erwischt werden. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!